HPP 602

 
HPP 602 | Das Uhrwerksarchiv

HPP 602

Beschreibung

Das Henzi & Pfaff Kaliber 602 ist ein sehr einfach konstruiertes Palettenankerwerk mit 17 Lagersteinen, das trotzdem einige Besonderheiten aufweist.

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Dieses Werk ist nach der Roskopfbauweise, die man eigentlich nur von billigsten Stiftankerwerken kennt, konstruiert. Von Aufbau her bedeutet das, daß es nur drei statt der sonst üblichen vier Untersetzungsstufen vom Federhaus gibt - das Minutenrad entfällt hier. Außerdem sitzt das Minutenrohr lose auf einer Achse, da es nicht, wie sonst üblich werksseitig vom Minutenrad angetrieben wird, sondern direkt vom Federhaus. Typisch für Roskopf-Werke ist auch, daß es kein Wechselrad für das Stundenrad gibt, da dieses ebenfalls von einem zweiten Rad des Federhauses direkt angetrieben wird.

Der Vorteil dieser Bauweise ist neben der Kosteneinsparung auch, daß das Federhaus wegen des fehlenden Minutenrads deutlich mehr Platz hat, so daß es so groß ausgeführt werden kann, daß es über die Werksmitte hinausgeht. Für die Gangreserve und Ganggenauigkeit ist das ein großer Vorteil!

HPP 602: Innenansicht

Innenansicht

Die Gangreglerpartie dieses Werks besteht aus einer ebenfalls recht großen Ringunruh mit zwei gebogenen Schenkeln. Die an ihr und am anderen Ende fest am Unruhkloben befestigte Unruhspirale wird nur direkt am Spiralschlüssel in ihrer Länge reguliert - eine wirklich preiswerte Lösung. Dafür aber läuft die Unruh, die im Gegensatz zu echten Roskopfwerken hier mit 18000 Halbschwingungen pro Sekunde tickt, in zwei hauseigenen “Supershock HPP” (oder auch “Hercules”) genannten Stoßsicherungslagern.

Das HPP 602 verwendet einen Palettenanker, ist somit also ein reinrassiges Ankerwerk.

HPP 602: Detail Sekundenindikation

Detail Sekundenindikation

Eine recht interessante, ebenfalls bei Roskopf-Werken oft zu findende, Konstruktion wird für die indirekt angetriebene Zentralsekunde verwendet: Das nur einseitig gelagerte Zentralsekundenrad wird direkt vom eigentlichen Sekundenrad angetrieben. Diese Konstruktion erfordert recht präzise gefertigte Zahnräder mit einem sehr geringen Höhenspiel, ist aber natürlich recht preiswert und verhindert konstruktionsbedingt ein Ruckeln des Sekundenzeigers.

HPP 602: Grundplatine

Grundplatine

Auf der Grundplatine ist dieses Werk noch als HP 602 markiert, möglicherweise handelt es sich hier um eine ältere Ausführung.

Für diese Annahme spricht auch, daß in späteren Ausführungen das Federhausgesperr deutlich vereinfacht wurde. Bei dem hier gezeigten Werk gibt es noch ein echtes Gesperr, deren Klinke interessanterweise auf das Kronrad und nicht auf der Sperrad einwirkt. Später wurde nur eine einfache Gesperrfeder, die auf das Sperrad einwirkt, verwendet.

HPP 602: HPP 602 Zifferblattseite

HPP 602 Zifferblattseite

Auf der Zifferblattseite erkennt man den höchst einfach ausgeführten Kupplungsaufzug, der Kupplungsfeder und Kupplungshebel in einem Bauteil vereint. Eine solche Konstruktion findet man natürlich auch wieder bei Roskopfwerken, und wenn man sich zum Vergleich mal ein Baumgartner 34 ansieht, so erkennt man doch sehr viele Gemeinsamkeiten…

Im Labor

Das hier gezeigte Werk kam verharzt und verschmutzt in die Werkstatt und wurde erstmal einem Komplettservice mit Reinigung und Ölung unterzogen.

Das fehlende Kupplungsrad und die abgebrochene Achse des Zentralsekundenrads konnten mangels vorhandener Ersatzteile leider nicht ersetzt werden, bei der Ermittlung der Gangwerte hätten sie aber ohnehin keinen Einfluß gehabt. Man erkennt daran lediglich, daß sich schon mehrere Vorgänger an diesem Werk versucht haben - mit leider nicht immer positivem Ausgang.

Zeitwaagen-Ergebnis

Für ein ca. 55 Jahre altes Werk, noch dazu von recht einfacher Bauweise, sind die Gangwerte durchaus sehenswert: In keiner Lage gibt es echte Ausreißer und der maximalen Abweichungsbereich von -15 bis +15 Sekunden pro Tag ist mehr als nur gut! Auffällig ist nur das "Kurvenmuster" in der Position "Zifferblatt oben" - hier machen sich möglicherweise minimal unrund laufende Räder bemerkbar. Ein Verdachtskandidat dafür wäre ganz klar das Zentrumssekundenrad, das aufgrund deś abgebrochenen vorderen Achsenteils nicht mehr wirklich zentriert laufen kann.
Krone rechts (12 oben)

Krone rechts (12 oben)

Krone oben (3 oben)

Krone oben (3 oben)

Krone links (6 oben)

Krone links (6 oben)

Krone unten (9 oben)

Krone unten (9 oben)

Zifferblatt oben

Zifferblatt oben

Zifferblatt unten

Zifferblatt unten


horizontale Lagen
Zifferblatt oben+-0 s/Tag
Zifferblatt unten+10 s/Tag
vertikale Lagen
Krone rechts (12 oben)-15 s/Tag
Krone oben (3 oben)-5 s/Tag
Krone links (6 oben)+15 s/Tag
Krone unten (9 oben)+10 s/Tag
Zeitwaagen-Messergebnis

Technische Daten

Hersteller:HPP
Kaliber:602
Größe:10 1/2''' (gemessen: 23,15mm)
Halbschwingungen pro Stunde:18000
Anzahl Steine:17
Hemmung:Anker
Unruh-Ausführungen: Nickel-Ringunruh
Stoßsicherung(en): Hercules (Henzi & Pfaff)
Unruhlagerung / Richtung Spirale:Gegenuhrzeigersinn
beweglicher Spiralklötzchenträger:nein
Regulierorgan:Spiralschlüssel
Werksaufbau:
  • Anker
  • Ankerrad (Hemmungsrad), Sekundenrad, Kleinbodenrad, Federhaus
  • Zentralsekundentrieb
Bauweise:Pfeilerbauweise
Aufzugstyp:Kupplungsaufzug
Ausstattung:
  • SCI (indirekte Zentralsekunde)
Referenzen: Flume: 1957 34

Anwendungsgalerie

HPP 602: Anker Herrenuhr

Anker Herrenuhr

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