Grundig Satellit 700
... oder das Beste zum Schluß
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1992 brachte Grundig den Satellit 700 auf den Markt. Gerade mal so groß, wie eine DIN A4 Seite, zwei Kilo schwer (ohne Batterien) und vollgestopft mit allem, was seinerzeit technisch angesagt war. Nach all seinen Vorgängern mit Trommeltuner, motorischer Preselector-Abstimmung und weniger guten Einfachsupern gab es nun endlich auch von Grundig einen vollwertigen Weltempfänger, der wirklich portabel war und vor der japanischen Konkurrenz bestehen konnte.
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Komfort ohne Ende
Dieser Emfänger wurde mit allen technischen Raffinessen ausgestattet und bot dadurch einen bis dato zumindest von Grundig nicht gekannten Komfort. So ließen sich bis zu 2048(!) Frequenzen speichern, 512 Sender konnten mit jeweils achtstelligem Namen versehen werden, auf UKW konnte der Name selbstverständlich vom eingebauten RDS-Decoder übernommen werden. Auf Kurzwelle war ein echter Synchrondetektor mit Seitenbahnwahl ein "Muß", ebenso natürlich eine Bandbreitenumschaltung, direkte Frequenzeingabe und direkte Anwahl eines Kurzwellen-Bandes. Eine Außenantenne konnte über eine IEC-Buchse angeschlossen werden, es gab eine wahlweise manuelle HF-Verstärkungsregelung und einen Abschwächer für zu stark einfallende Signale.Das UKW-Teil bot neben dem erwähnten RDS-Decoder natürlich auch Stereo-Empfang.
Komplettiert wurde die Ausstattung mit zwei unabhängig voneinander laufenden Uhren, einem Sleep-Timer und einem eingebauten Wecker.
Diese Ausstattung konnte sich wirklich sehen lassen und zumindest bei der Speicherverwaltung und der UKW-RDS-Funktionalität sahen auch die ansonsten komfortmäßig weit überlegenen Empfänger von Sony alt aus.
Geniale Speicherverwaltung
Wer einmal das neuartige Prinzip der Speicherverwaltung des Satellit 700 begriffen hat, möchte es garantiert nicht mehr missen.Das neuartige ist, daß nicht, wie bisher, Frequenzen gespeichert werden, sondern Sender. Und die meisten Sender, AM wie FM senden auf mehreren Frequenzen, die je nach Tageszeit oder Standort unterschiedlich gut ankommen. Und genau hier greift das neuartige Konzept: Zu jedem gespeicherten Sender lassen sich bis zu acht verschiedene Frequenzen speichern. Geht die eine Frequenz nicht besser rein, reichen ein oder mehrere Tastendrücke auf "MEMO-AF" und volia - der Lieblingssender geht in bestmöglicher Qualität herein.
Ganze 256 Sender mit insgesamt 2048 Frequenzen lassen sich so bei einem mit 3 Memo-Chips vollausgebauten Satellit 700 speichern. Das ist wahrlich gigantisch, und reicht vermutlich auch bis in alle Ewigkeit. Aber wem das immer noch nicht genug ist, der kann diese drei Memo-Chips (die jeweils 64 Sender mit insgesamt 512 Frequenzen speichern) auch nach Belieben austauschen und bekommt auf diese Weise unendlich viele Speichermöglichkeiten.
Diese Memo-Chips, EEPROMs vom Typ 24LC16B/P, sind beispielsweise bei Reichelt für 38 Cent zzgl. Versandgebühr oder unter der Bestellnummer 150180-14 für 79 Cent bei Conrad Electronic zu erhalten. Das nur als Hinweis, falls Ihnen mal eines der "5 Euro plus Versandkosten" - Angebote bei eBay über den Weg laufen sollte.
Natürlich können die MemoFiles auch ganz leicht selber programmiert werden. Mit nicht mal 10€ Hardware-Aufwand und dem MemoFileProgrammer und vielleicht noch ein paar vorprogrammierten MemoFile Programmdateien kann sich jeder selber die Chips beispielsweise vor dem nächsten Urlaub mit allen interessanten Sendern selber vorbelegen.
RDS ohne Wenn und Aber
Eines der wichtigsten Features des Satellit 700 ist die Decodierung von UKW-RDS-Signalen. Diese Signale helfen ungemein bei der Identifizerung von unbekannten Sendern und auch bei der optimalen Frequenzwahl des "Lieblingssenders".Wie von anderen Radios bekannt, wird bei RDS-Empfang (der im Vergleich zu anderen Empfängern recht empfindlich und dadurch empfangsfreudig ist) der Sendername (PS) angezeigt, und nach einiger Zeit kann auf Knopfdruck auf "FM/RDS-AF" aus der AF (Alternativfrequenz)-Liste die am besten einfallende Frequenz automatisch oder auch manuell, je nach Gusto, gewählt werden.
Soweit, so gut. Aber Grundig (mit dem Franken RDS-Team im Hintergrund) wäre nicht Grundig, wenn das schon alles wäre. Auf Knopfdruck läßt sich der "RDS-Testmodus" aktivieren, der das RDS-Signal nach allen (1991 Stand der Technik, also kein EON) Nuancen auswerten. So können PI, TA, TP, PTY, der Live-Aufbau des PS-Strings und das M/S-Bit angezeigt werden, außerdem gibt es noch detaillierte Informationen über die Qualität (Fehlerrate) des empfangenen RDS-Signals. Schon ein leichter Dreh mit der Teleskopantenne kann hier "live" anhand der sich ändernden RDS-Qualität beobachtet werden. Für Bandscans eine wirklich große Hilfe.
Einzig Radiotext (RT) kann nicht angezeigt werden, aber das war 1991 auch kein großes Problem, da alle Sender bestenfalls einen "Versuchssendung"-Text aussendeten. Selbst heute, über 10 Jahre später, hat sich daran nichts geändert.
Kein anderes, moderneres, Gerät hat seitdem jemals wieder eine ähnliche RDS-Featuritis an den Tag gelegt, wie der Grundig Satellit 700.
Aufbau und Verarbeitung
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- HF-Platine
- Prozessorplatine mit Bedienplatte
- NF-Platine
Durch diese Dreiteilung ist ein Service dieses Geräts sehr einfach möglich, alle Platinen können problemlos ausgebaut und ohne Gehäuse betrieben werden. Der Lautsprecher ist durch acht Clipse (siehe Bild) klirrfrei am Gehäuse befestigt. Durch Zusammendrücken der vorderen Enden können diese Clipse zerstörungsfrei entfernt und der Lautsprecher ausgebaut werden.
Sämtliche Platinen haben eines gemeinsam: Dort, wo mechanische Belastungen,
beispielsweise an der 9V-Buchse, oder am Antennenanschluß, auftreten, brechen
die Lötstellen auf und müssen nachgelötet werden.
UKW-Empfang
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Im Normalzustand sind drei Murata E10.7S Filter mit 180kHz Bandbreite verbaut. Für den normalen Empfang von stärkeren Sendern ist dies noch ausreichend, zum DXen sind diese Filter aber völlig unzureichend, da viel zu breitbandig. Ein Filterwechsel liegt hier auf der Hand. Mit ein wenig Löt-Praxis ist er relativ einfach durchzuführen, es müssen lediglich die drei (F4 muß nicht unbedingt getauscht werden, in der Praxis wird die Trennschärfe durch schmälere Filter hier nicht besser) Originalfilter unter Zuhilfenahme eines Entlötsaugers aus der doppelseitig kontaktierten Platine entfernt und Filtersockel eingelötet werden. Mit neuen Filtern (Mindestbreite wegen RDS ist 80kHz) wird der S700 dann zur richtigen DX-Maschine.
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Ist der Satellit 700 nun zur echten DX-Maschine mutiert, zeigt er
bereits beim Batteriebetrieb an der eingebauten und optimal abgeglichenen
Teleskopantenne spielend die Empfangsleistungen
meines Onkyo T-4670 an einer Yagi, eine externe Antenne wird beim Satellit
eigentlich nicht benötigt. Lediglich beim Herauskitzeln
der letzten Frequenzen beim Tropo-Empfang ist eine Yagi,
vor allem wegen ihrer Richtwirkung sehr zu empfehlen.
Auf einen zusätzlichen Antennenverstärker sollte man allerdings unbedingt
verzichten, denn mit derartigen hochpegeligen Signalen
kommt der Satellit 700 nicht mehr zurecht.
Ein kleiner Tip noch: Die Kabel des Netzteils sorgen bei UKW oft dafür,
daß die gute Richtwirkung der Teleskopantenne zunichte gemacht wird.
Optimale Empfangsleistungen auf UKW erreicht man daher nur, wenn "netzteillos", also nur mit voll geladenen Batterien gearbeitet wird.
Das Alleinstellungsmerkmal des Satellit 700 ist der RDS-Testmodus,
denn mit seiner Hilfe
können auch schwach oder gestört einfallende Sender anhand des PI-Codes
identifiziert werden, lange bevor der PS-Code überhaupt komplett
empfangen wurde. RDS-mäßig ist er ganz klar meinem T-4670 + externem
RDS-Decoder überlegen, und wenn man den Erfahrungen
anderer DXer glauben darf, hängt der Satellit 700 hier
auch den allseits beliebten Sangean ATS-909 spielend ab, der RDS nur sehr langsam (wenn überhaupt) decodiert und den PI-Code nur mit
einer aufwändigen Modifikation anzeigen kann.
Bei Sporadic-E-Empfängen ist vor allem
die schnelle Anzeige der PI-Codes besonders wichtig. Trotz allem darf
man hier keine Wunder erwarten - erst wenn das Signal praktisch ungestört
einfällt, kann RDS decodiert werden. Bei schwachen
Sendern hat man leider keine Chance.
Sollte ein und dergleiche UKW-Sender von zwei Standorten dieselbe
Frequenz nutzen und dank Überreichweiten wären beide Standorte zu
empfangen, so kann man anhand der decodierten Alternativfrequenzen (RDS-AF)
auch noch zu Rückschlüsse auf den tatsächlichen Senderstandort machen,
vorausgesetzt, jeder Standort sendet eine unterschiedliche
AF-Liste, was aber in der Praxis leider selten der Fall
ist. Aber die theoretische Möglichkeit besteht zumindest...
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Ein absolutes Highlight, auch für UKW, ist die Speicherverwaltung: Man kann beispiel einen Senderspeicher mit 8 Indikator-Frequenzen für Sporadic-E-Empfang versehen und diese mit nur einer einzigen Taste zkylisch durchtesten. Schneller und bequemer kann man wirklich nicht mehr arbeiten.
Kurzwelle
Der Empfang auf KW ist bereits mit der eingebauten Teleskopantenne einwandfrei. Bei "schwierigeren" Empfängen soll der eingebaute und zuschaltbare Synchrondetektor eine Besserung bringen, ob das wirklich der Fall ist konnte ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen. Bei stark einfallenden Sendern bringt er auf jeden Fall keine Verbesserung, sondern eher ein unruhigeres und "härteres" Signal. Ein Vergleich mit einem semiprofessionellen KW-Empfänger (JRC NRD-525G) steht noch aus.
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Aufgrund seines groben Frequenzrasters von 1kHz ist der Satellit 700 zum Empfang schwächerer oder gestörter Stationen nicht optimal geeignet. Zwar kann im Synch-Modus, sowie beim Einseitenbandempfang in 100Hz-Schritten abgestimmt werden (beim Einseitenbandempfang kann zudem noch ein Bereich von 120Hz stufenlos abgestimmt werden), aber vor allem aufgrund des schlecht ausgelegten Synchrondetektors der das Nutzsignal gerne mit brummenden Eigengeräuschen überlagert, ist der Einseitenempfang eher weniger praktikabel. Stellt sich natürlich auch die Frage, wieso beim "normalen" AM-Empfang keine 100Hz-Abstimmung, auch nicht optional, möglich ist.
Sehr lästig ist auch die Stummschaltung bei einem Frequenzwechsel, der am Handrad vorgenommen wird. Ein Durchscannen eines Frequenzbereichs wird dadurch zur Tortour, da man nach jedem kHz eine Zwangspause von ca. 1/2 Sekunde einlegen muß. Auf UKW tritt dies nicht auf!
Ungünstig ist auch die massive Eigenstörstelle auf 6275kHz, die hier jeglichen Empfang unmöglich macht. Ungünstig deswegen, weil gerade die 6275kHz eine der klassischen Piratensender-Frequenzen ist.
Bedienung
Für einen Empfänger dieser Größe ist die Bedienung recht gut gelungen, sieht man von der mangelhaften Standfestigkeit des Geräts (auch mit eingelegten Batterien) ab. Mit ausgestreckter (eher schwergängiger) Antenne mag man ihn nur ungerne unbeaufsichtigt abstellen - zu groß ist die Gefahr, das man an der Antenne hängenbleibt und den Empfänger vom Tisch fegt. Bei größeren Geräten würde man wenigstens "nur" die Antenne abknicken.Eine Einhandbedienung ist nicht möglich. Das mag vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlich und unbequem erscheinen, aber spätestens nach ein paar Stunden hat man die enormen Vorzüge der Zweihandbedienung erkannt: Während der Sender abgestimmt wird, kann man gleichzeitig die Lautstärke anpassen. Gerade beim Scannen ist das besonders praktisch. Und ganz nebenbei besteht keine Gefahr, daß das Gerät umkippt, da stets beide Hände es festhalten.
Das Tuning-Rad dagegen ist nicht unbedingt frei von Kritik, was die Haptik betrifft: Es rastet und klackt, wie bei einem Superbillig-Empfänger. Klar - die Rastung ist notwendig und sinvoll, aber mußte es unbedingt so eine strenge und nach Plastik anfühlende Rastung sein? Das Durchscannen auf UKW mit dem Tuning-Rad könnte sonst viel mehr Spaß machen. Außerdem fehlt eine "Geschwindigkeitsschaltung", bei der sich bei schnellerem Drehen die Abstimmweite vergrößert.
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Eine Umbauanleitung auf superhelle, stromsparende und ewig lebende LEDs habe ich hier veröffentlicht.
Mit Akkus scheint der Stromverbrauch recht hoch zu sein, jedenfalls halten 4Ah-Akkus nur wenige Stunden im Betrieb durch, danach ist wieder Nachladen angesagt. Auch wenn der Satellit 700 eine eingebaute Ladeautomatik besitzt, so ist ein externes Ladegerät doch dringend zu empfehlen, es sei denn, man hat fast endlos viel Zeit. Einmal voll-laden dauert nämlich sonst mit dem NR-90-Netzteil sage und schreibe 40 Stunden. Das ist wohl einsamer Rekord!
Der Satellit 700 ist ein tragbarer Empfänger, allerdings bewegen sich sowohl seine Maße (in etwa DIN A4), als auch sein Gewicht (2kg ohne Batterien, die ihrerseits aber auch gut 1kg ausmachen) schon ein wenig am Limit, zumindest für's Handgepäck.
Fazit und Preis
Was den Preis betrifft, so darf man sich keine Illusionen machen. Auch ein mehr als zehn Jahre altes Gerät in (optisch) schlechtem Zustand wird nicht unter 250 Euro gehandelt, in gutem Zustand kostet ein Satellit 700 heute mindestens soviel, wie der damalige Neupreis - 450€.Wer ein gutes Gebrauchtgerät mit Garantie sucht, der sollte am besten bei Charly H. Hardt nachfragen. Von "Bastelgeräten" sollte man Abstand nehmen, da diese in der Regel irreparable Schäden aufweisen, die mangels Ersatzteilen auch nicht mehr repariert werden können. Und so manches Bastelgerät, das anfangs noch funktionierte hat sich im Laufe der Zeit als irreparables Wrack entpuppt.
Wer also einen tragbaren Empfänger, der sich uneingeschränkt zum UKW-DXen eignet, sucht, trifft sicher mit einem gebrauchten Grundig Satellit 700 eine hervorragende Wahl. Und wer außerdem noch auf Kurzwelle vor allem die größeren Auslandsdienste gerne und komfortabel hört, für den gibt es praktisch keine Alternative - solange man über die wenigen kleinen Schwachstellen, das nicht gerade geringe Gewicht (rund 3 Kilogramm inklusive Batterien) und die nach heutigen Maßstäben großen Ausmaße hinwegsehen kann. Wer jedoch mehr Wert auf Kurzwellenempfang legt, dem sei nicht zuletzt wegen des weitaus besseren Synchrondetektors ein gebrauchter Sony ICF-2001D ans Herz gelegt.
Schade, daß Grundig mit diesem Gerät seine legendäre Satellit-Serie
beendete. Wenn die Entwicklung so, wie bis zum Erscheinen des
Satellit 700 weitergegangen wäre, wäre ein heutiger Satellit ein
regelrechter Zauberkasten mit DAB, DRM und was man sich sonst noch so
erträumen kann.