Grundig Yacht Boy 700

Grundig Yacht Boy 700

Dieses kleine Kofferradio ist ebenfalls ein sehr interessanter Empfänger von Grundig. Er ist kleiner als eine DIN A4-Seite und doch ein vollwertiger Weltempfänger mit dem kompletten Kurzwellenbereich von 1.6MHz bis 26.1MHz, aufgeteilt auf sechs Bänder.

Der Neupreis 1984 betrug 375.- DM, für einen analogen Empfänger war der Preis schon am oberen Ende der Preisskala, da digitale Empfänger, oft noch kleiner, bereits seit einigen Jahren zu haben waren. Außerdem konkurrierte er direkt mit dem, nur 75.- DM teureren "Satellit" 300, der zwar nicht den kompletten KW-Bereich bot (und damit eigentlich den Namen "Satellit" nicht verdient hatte), aber dafür ein reinrassiger Digitalempfänger war.

Überhaupt waren die beiden Empfänger in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich, gleiche Gehäuseform, gleiche Antenne, beide waren Einfachsuper, usw. Und dennoch ist meiner Meinung nach der Yacht Boy 700 das bessere Gerät. Zum Einen bot er den kompletten (legalen - daher die Beschränkung auf die obere Maximalfrequenz von 26.1MHz) Kurzwellenbereich, zum Anderen gab es beim Yacht Boy Einseitenbandempfang (SSB), umschaltbare Bandbreiten, einen 5kHz Interferenzfilter und eine echte Kurzwellenlupe. Alles Features, ohne die kein echter Weltempfänger (abgesehen von der Kurzwellenlupe, wenn die Abstimmung fein genug erfolgen kann) auskommt.

Die digitale Frequenzanzeige arbeitet auf allen Bändern, auf Lang- und Mittelwelle mit 1kHz Auflösegenauigkeit, auf Kurzwelle mit 5kHz und auf UKW mit 50kHz. In der Praxis ist das für einen Reiseempfänger durchaus ausreichend. Selbst der legendäre Sony ICF-7600D konnte damals nur auf 5kHz genau abstimmen; auch er besaß meiner Erinnerung nach eine Feinabstimmung. Nur war sein Preis fast doppelt so hoch. Zum richtigen DXen ist diese Anzeigegenauigkeit natürlich nicht brauchbar.

Das analoge S-Meter, "Tuning" genannt, mag zwar einen professionellen Eindruck erwecken, wirklich brauchbar ist es aber keineswegs: Entweder, der Zeiger bewegt sich zwischen 0 und 1, oder er geht sofort auf Maximalposition 8 (von 10). Eine Aussage darüber, wie stark der Sender tatsächlich einfällt, ist nicht möglich, hier hätte es auch eine einfache Leuchtdiode getan. Nur von der Optik her ist natürlich ein analoges Instrument schöner. Übrigens habe ich selten ein so kleines Instrument gesehen... Bei hoher Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit passiert es, daß das S-Meter hängenbleibt und selbst bei ausgeschaltetem Radio nicht auf 0 zurückgeht.

Ein letztes Goodie ist die eingebaute Digitaluhr mit Weck- und Einschlaffunktion. Für einen Reiseempfänger ist das natürlich optimal. Einziges Manko: Die Frequenzanzeige schaltet sich stets nach einigen Sekunden zugunsten der Uhrzeitanzeige ab und kann erst durch Tastendruck wieder reaktiviert werden. Zum Wellenjagen ist das ein wenig umständlich - besser wäre es gewesen, wenn erst bei längerem Verharren auf einer Frequenz automatisch auf Uhrzeit umgestellt worden wäre. Aber man kann nicht alles haben...
Grundig Weltempfänger 1981
Seite aus dem Grundig "Radios & Recorder" Prospekt 1984

Empfangstests

Zur Beurteilung der Empfangsleistungen wurden Vergleichstests mit dem Grundig Satellit 3400 angestellt. Beide Empfänger wurden von ihren eigenen Netzteilen versorgt und empfingen der Chancengleichheit wegen nur mit ihren eingebauten Teleskopantennen.

Auf Mittelwelle lieferten sich beide Empfänger ein hartes Duell ohne eindeutigen Sieger. Mal empfing der Yacht Boy einen Tick besser ( RTL auf der wieder genutzten 1440kHz), mal der Satellit (MegaRadio auf der lokalen 945kHz), und bei DRS1 auf 531kHz boten beide einen gleich guten Empfang.

Auf UKW führte ganz klar der große Satellit. Dessen Trennschärfe und Empfindlichkeit konnte der kleine Yacht Boy nicht Paroli bieten. Ö2 Tirol auf 95.3MHz kam beim Satellit störungsfrei rein, beim Yacht Boy schlug immer wieder Charivari auf 95.5MHz durch. Und das schwach einfallende Radio Melodie auf 104.0MHz wurde stark durch die 103.8 von Antenne Bayern gestört, während es im Satelliten, der dank seiner zwei Lautsprecher einen überragenden Klang bot, perfekt empfangen wurde - vorausgesetzt, man schaltete hier den Frequenzzähler aus, denn dieser sorgte für schwache zirpende Störungen just bei dieser Frequenz.
Interessant ist vielleicht noch die Tatsache, daß ein Grundig Radiowecker Sono-Clock 800, der ebenfalls Anfang der 80er Jahre gebaut wurde, eine um Klassen bessere Empfangsleistung bot, und das, obwohl er lediglich über eine Wurfantenne verfügt. Nur fehlt der Sono-Clock leider eine brauchbare Frequenzanzeige.

Viel wichtiger ist natürlich der Kurzwellenempfang, und hier sind im Wesentlichen drei Kriterien zu erfüllen: Empfindlichkeit, Trennschärfe und Schwundregelung.

In Punkto Empfindlichkeit bot der kleine Yacht Boy 700 recht passable Ergebnisse. Selbst schwach einfallende Stationen wie die deutsche Welle auf 25740kHz (13:15 UTC) und 15215kHz waren noch halbwegs verständlich zu empfangen, allerdings bot der Satellit durchwegs eine bessere Verständlichkeit. Auffällig war, daß beim Yacht Boy bei fast jedem schwächer einfallenden Sender ein störendes Interferenzpfeifen, das auch mit dem eingebauten 5kHz-Filter nicht auszublenden war, beigemischt war. Der Satellit bot selbst bei größter Bandweite hier einen ungestörten Empfang.

Wichtig bei schwachen Sendern ist eine gut arbeitende Schwundregelung. Hier dominiert ganz klar der Satellit dank seiner dreifach arbeitenden Schwundregelung. Der Yacht Boy 700 lieferte hier starke Lautstärkeschwankungen und oftmals fast abreißenden Empfang ab. Zum längeren Hören ist sowas ungeeignet.

Die Trennschärfe des Yacht Boy 700 ist ausreichend. Starke Sender wie die Deutsche Welle auf 6075 und der Bayerische Rundfunk auf 6085kHz wurden sauber getrennt. Problematischer wurde es, wenn ein schwacher neben einem starken Sender lag. Hier konnte nur der Satellit 3400, oft sogar mit großer Bandbreite, störungsfreien Empfang präsentieren, der Yacht Boy war hier selbst auf der "engen" Bandbreiteneinstellung überfordert. Überhaupt arbeitet die "ZF-Bandbreitenumschaltung" recht mau - einen echten Unterschied konnte ich nur ganz vereinzelt feststellen - beim Satellit 3400 hört sich das schon ganz anders an. Besser arbeitet beim Yacht Boy schon die "5 kHz Interferenzsperre", die zumindest ein klein wenig die Höhen ab 5kHz dämpft. Aber auch hier wäre natürlich noch Optimierungsbedarf.

Zwei Auffälligkeiten gibt es beim Yacht Boy noch: Auf 4150kHz gibt es massive Störungen (Vollausschlag des Signalmeters) durch den Frequenzzähler und auf 15205kHz konnte ein SSB-Sender empfangen werden, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Spiegelfrequenzprodukt ist.
Das Problem mit dem Frequenzzähler löst sich aber nach spätestens 90 Sekunden, wenn die Uhrzeit wieder angezeigt wird, in Wohlgefallen auf, ist also lediglich ein Schönheitsfehler, kein echter Kritikpunkt.

Das einzige echte Problem sind die Spiegelfrequenzen. Da der Yacht Boy 700 nur ein Einfachsuper ist, schlagen viele starke Sender, die 920kHz weiter oben senden (= doppelte Zwischenfrequenz) durch, so daß oft nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob man den Sender der tatsächlich eingestellten Frequenz empfängt, oder einen anderen Sender, dessen Spiegelfrequenz durchschlägt.

Zusammenfassend kann man also sagen, daß sich der Yacht Boy 700 mit Ausnahme der UKW-Empfangsleistungen nicht schlecht geschlagen hat.Natürlich darf man nicht als DX-Maschine bewerten, sondern als gutes Reiseradio mit sehr gutem Klang. Zum DXen ist er weniger geeignet, aber im Ausland kann man dank ihm Deutsche Welle und Bayerischen Rundfunk auf Kurzwelle problemlos empfangen.
Einem Vergleich mit dem Satellit 700 oder anderen PLL gesteuerten Empfängern auf UKW hielt er allerdings nicht stand, aber das kann auch möglicherweise daran liegen, daß das Gerät nach 20 Jahren reif für einen Neuabgleich ist.

Das Gehäuse

Das Gehäuse hinterläßt einen etwas zwiespältigen Eindruck. Es ist ganz klar angenehmer und besser, als andere Plastikgehäuse aus dieser Zeit, aber irgendwie wirkt es einem Empfänger dieser Klasse nicht ganz angemessen. Plastik faßt sich nicht nur unangenehm an, jeder Kratzer und jedes Anecken hinterläßt gleich häßliche (dunkle!) Stellen.

Ganz klar fehl am Platz ist der höchst windige "Tragegriff", der sich beängstigend durchbiegt. Ein Stück Metall am richtigen Ort hätte hier wahre Wunder bewirkt.

Positiv hervorzuheben ist dafür die Rückenstütze. Sie ist stabil genug und ermöglicht ein sehr angenehmes, schräges Bedienen. Und last but not least steckt ein wunderbar großer Lautsprecher im Gehäuse, und der sorgt natürlich für den Grundig-typischen satten Klang.

Fazit

Ganz klarer Kaufbefehl für Sammler und Fans der "guten alten" Technik! Wer diesen Empfänger heute noch zu einem vernünftigen Preis bekommt (als Obergrenze würde ich 50 Euro ansetzen), sollte zugreifen. Einen besseren tragbaren Analogempfänger, der noch dazu wirklich gut klingt, wird man sonst kaum mehr bekommen. Zumindest nicht für diesen Preis und schon gar nicht in dieser Größe. Und nicht zuletzt erwirbt man ein Stück deutsche Wirtschaftsgeschichte.